Leitfaden zum Thema Mobbing
 
Mobbing nimmt in Deutschland in den letzten Jahren stetig zu. Zwar ist Mobbing keine Erfindung im Zuge der Digitalen Revolution, dennoch spielt Cybermobbing auch im Rahmen der Kommunikation in den neuen Medien eine immer größere, unrühmliche Rolle. Angst vor Mobbing und Bashing belasten die Kommunikation zwischen Menschen und hindert sie daran sich kreativ und innovativ in sozialen, privaten und beruflichen Arbeitsgemeinschaften einzubringen. Information und Prävention vor  Mobbing-Attacken und eine erste Informationshilfe für die betroffenen Menschen sind das Ziel dieses Leitfadens.
 
Definition von Mobbing
Bei Mobbing handelt es sich um eine bewusste, systematische und wiederholte Verhaltensweise, bei der die/ der Betroffene über einen längeren Zeitraum durch Verbreitung falscher oder unvollständiger Tatsachen, Verleumdungen, Vorenthalten von Informationen, die Zuweisung sinnloser Arbeitsaufgaben, soziale Isolation, ständige Kritik oder Gewaltandrohung in ihrem Wert herabgesetzt, zur Handlungsunfähigkeit und Wehrlosigkeit getrieben, und faktisch aus der bestehenden Gruppe ausgeschlossen wird.
Oswald Neuberger bezeichnet Mobbing als einen eskalierenden Konflikt, der Störungen der sozialen Arbeitsgemeinschaft, Motivations-, Kreativitäts- und Imageverlust hervorruft.
 
Beschreibung von Mobbing
Mobbing richtet sich meist an Unterlegene, kann aber auch durchaus eine Perversion von Streitformen darstellen, in der anfangs Überlegene aus ihrer Rolle verdrängt werden sollen. Dies kann geistig, körperlich oder bedingt durch die reine Anzahl geschehen.
Der Mobbende will in der Regel einen persönlichen, oft immateriellen Gewinn, ein erhöhtes Selbstwertgefühl, Geld, Macht oder Ähnliches aus seinem Handeln ziehen. Das Zielsubjekt wird vorsätzlich, wiederholt und über einen längeren Zeitraum angegriffen, fertiggemacht oder in sonstiger Art und Weise angegangen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und oft subtil. Meist wird erst durch die Gesamtsituation offensichtlich was geschieht. Jemand, der in einer Gruppe ein Täter ist, kann in anderer Konstellation ein Betroffener von Mobbing sein.
 
Voraussetzungen für Mobbing
Mobbing lebt vom Mitmachen. Eine Gruppe, die zulässt, dass Mobbing geschieht, unterstützt Mobbing aktiv. Mobbing zulassen und mitmachen heißt z.B., dass man ÜBER jemanden redet, anstatt MIT jemandem zu reden.
Mobbing wird i.d.R. von einer Einzelperson (Anführer) initiiert, und andere Personen der Gruppe (Mittäter) schließen sich aufgrund von Gruppendynamiken schnell an. Geübte Anführer sind in der Lage, andere (Mittäter) so zu instrumentalisieren, dass diese wie Anführer wirken und somit ihre eigene Anführerschaft verschleiern bzw. verstecken. Zum Mittäter werden Beteiligte entweder bewusst, um in perfider Weise ihr Selbstwertgefühl oder ihre Zugehörigkeit zur Gruppe zu stärken, oder sie sind nur unzureichend informiert und unterstützen das Mobbing halbbewusst, um in der Gruppe Anerkennung und Bestätigung zu erfahren.
 
Mögliche Folgen von Mobbing
Mobbing stört die sozialen Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Gruppe. Der vom Mobbing Betroffene versucht zuerst den Angriffen zu entgehen und beginnt sich selbst durch Schweigen, Kritikvermeidung (Flucht) oder aggressive Gegenwehr (Kampf) in der Gruppe zu isolieren. Die zunehmende Ausgrenzung des Betroffenen kann zum Rückzug aus dem Gemeinschaftsleben und zur Aufgabe aller sozialen Kontakte führen. In der entstehenden Eigendynamik werden Unbeteiligte in das Mobbing einbezogen. Außerdem besteht das Risiko, dass Gemobbte, die wieder in die Gruppe aufgenommen werden möchten, vom Opfer zum Täter werden.
Nachhaltiges und wiederholtes Nicht-Zugehörigkeitserleben erzeugt im Betroffenen neurobiologische Prozesse der Selbstauflösung, welche durch aggressives oder flüchtendes Verhalten beantwortet werden MÜSSEN!! Andernfalls droht ein Zusammenbruch von Selbstwert und Identität.
Mobbing bringt viele Menschen um ihre Gesundheit. Ständige Kränkungen machen auf Dauer krank. Fast 90 Prozent der Gemobbten klagen während oder nach dem Mobbing über psychische und physische Probleme. Sind es anfangs noch stressbedingte Symptome wie z. B. Niedergeschlagenheit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen, können in der Folge ernsthafte und chronisch verlaufende Krankheiten wie z. B. schwere Depressionen auftreten. Im Extremfall können Alkohol- oder Drogensucht, Selbstmord oder Mord (am Initiator oder einem anderen Beteiligten) die Folge sein.
Mobbing eliminiert immer die mentale Kreativität einer Gruppe. Mobbing kann die Vielfältigkeit der Meinungen in einem Gruppenzusammenhang reduzieren und zu uniformem Verhalten bzw. zur intellektuellen Verarmung der Gruppe führen.
 
Umgang mit Mobbing
Mobbing funktioniert nur, wenn der Betroffene in dieser Situation allein gelassen wird. Betroffene brauchen unsere Unterstützung. Wir können:
   
  • die Situation differenziert als Mobbing benennen, sie dadurch unterbrechen und dem Täter frühestmöglich Grenzen setzen;

  • uns an die Seite der Betroffenen stellen, um ihn aus der Isolation holen und ihre Zugehörigkeit zur Gruppe für alle Beteiligten sichtbar wiederherstellen; 

  • den Betroffenen empfehlen ein „Mobbing-Tagebuch“ zu führen, um durch Sammeln und Dokumentieren möglichst aller Vorgänge eine neutrale und sachliche Darstellung zu ermöglichen und damit das Selbstbewusstsein des Gemobbten zu stärken;

  • dafür sorgen, dass Klärungsgespräche zwischen "Opfer" und "Täter" grundsätzlich mit einer 3. Person als neutralem Moderator geführt bzw. Schiedsinstanzen einbezogen werden;

  • im Klärungsgespräch gemeinsame Ziele suchen (z.B.: Jeder kann seine "Arbeit" in Ruhe machen).

 

Was hilft:

  • Dem Täter frühestmöglich Grenzen setzen
  • Sammeln und dokumentieren aller Vorgänge, Mobbingtagebuch führen
  • Überlegen, wo der zeitliche Ursprung des Konflikts liegt
  • Vertrauenspersonen einbeziehen, Unterstützung suchen
  • Direkte Ansprache der Konfliktgegner in Gegenwart von Zeugen
  • In Erfahrung bringen, was sich Beteiligte wünschen
  • Herausfinden, wie man einen für beide Seiten akzeptablen Weg gehen kann - wenn möglich ohne Gesichtsverlust für alle Beteiligten
  • Herausfinden, wo Ressourcen sind, z.B. Vertrauenspersonen, Mediatoren, Teamfindungsmoderatoren
Es sollte Betroffenen klar sein, dass das erste Anzeichen einer Gegenwehr gegen Mobbing wahrscheinlich zu einer Eskalation der Situation führen kann. Gespräche mit dem Täter sollten grundsätzlich zu dritt geführt werden. In einer frühen Phase des Mobbings können andere, die sich nicht am Mobbing beteiligen, um Hilfe gebeten werden.
 
Den konstruktiven, respektvollen Umgang mit Kommunikationspartnern kann man üben.
Mit entsprechendem Einsatz sensibilisieren wir langfristig alle Beteiligten für Konfliktbewältigungsstrategien und frühzeitige Begrenzung von Mobbing:
  • Wir legen grundsätzlich Wert auf eine wertschätzende, respektvolle und auf die Sache bezogene Kommunikation in allen Medien. Bei Diskussionen geht es zunächst um die Arbeit an Sachthemen, NICHT um Personen. Kritik sollte deshalb kein Angriff auf eine Person sein, sondern Sachkritik. Bei persönlichen Konflikten versuchen wir zunächst den Konflikt mit der Person direkt zu klären, respektieren ihre Befindlichkeit als Tatsache, kehren aber immer wieder auf die Sachebene zurück. Diffamierungen, Beleidigungen oder Bedrohungen von Personen unterbinden wir sofort. 
  • Wir legen Wert auf Transparenz in allen Phasen unserer Arbeitsprozesse, besonders auch in Konflikt- und Mobbingfällen. Wir verzichten, soweit irgend möglich, auf Schuldzuweisungen und Bestrafungen, arbeiten strukturiert, lösungs- und zukunftsorientiert. Wir setzen ein freiwilliges und konstruktives Mitwirken aller Beteiligten voraus und bitten andere Beteiligte im Zweifelsfall um Unterstützung, wenn sich unbegründete Angriffe einer Einzelperson gegenüber häufen.
  • Nicht jeder Konflikt ist gleich Mobbing. Aber ein Konflikt kann zu Mobbing (wiederholten gezielten Angriffen auf eine einzelne Person) führen. Daher wollen wir Konflikte immer frühzeitig ausräumen, Konsens aktiv aufsuchen oder die unterschiedlichen Meinungen akzeptieren. Detailliertes Wissen über das Mobbing-Geschehen ist nicht erforderlich, um das Mobbing zu beenden.
  • Es besteht die Möglichkeit Mediation durch Fachleute in Anspruch zu nehmen. 
  • Es gelten klare Regeln für unsere Kommunikation, die wir mit dem folgenden Vorgehen unterstützen:
    1. Die Beteiligten zeigen Zivilcourage und begrenzen Mobbing. Sie sind mitverantwortlich für eine konstruktive Kommunikation. (Stellt Euch vor, jedes Mal, wenn jemand in Twitter eine Person beleidigt, würden gleich zwei oder drei andere Mitleser einschreiten und diese Vorgehensweise rügen ohne beleidigend zu werden.)
    2. Der Moderator einer Arbeitsgruppe begrenzt das Mobbing.
    3. Er spricht nach wiederholtem Mobbing eine schriftliche Verwarnung der Verhaltensweisen mit Androhung des begrenzten Ausschlusses aus.
    4. Es werden Mediatorengespräche mit den dafür beauftragten Mediatoren geführt.
    5. Gegebenenfalls Einschalten der Rechtsebene: Mobbingbeauftragte werden aktiv.
    6. Bei weiteren Wiederholungen erfolgt ein bewusster Beziehungsabbruch, ein Ausschluss oder eine Versetzung.
Dieser Mobbing-Ratgeber entstand in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgemeinschaft der Piratenpartei Deutschland unter der Koordinationsleitung von Regula Rickert.

Links zum Thema Mobbing:
http://www.tresselt.de/mobbing.htm - da sind auch noch weiterführende Links
http://www.leymann.se/deutsch/frame.html - HP von Heinz Leymann, durch den der Begriff Mobbing in Deutschland bekannt wurde.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mobbing - Definition von Wiki
Bärbel Meschkutat, Martina Stackelbeck, Georg Langenhoff: Der Mobbing-Report – Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland (PDF; 614 KB). Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002.

Wertschätzende Kommunikationsmodelle
Modell der vier Seiten einer verbalen Nachricht von Schulz von Thun: http://www.schulz-von-thun.de/index.php?article_id=71
Gewaltfreie Kommunikation: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/gewaltfreie-kommunikation-rosenberg.shtml