Masken der Gewalt Der deutsche Begriff Gewalt stammt von „walten“. Er hat also ursprünglich eine neutrale Bedeutung im Sinne von „etwas bewirken zu können“. (Gewalt-Online.de 2011) Im heutigen Sprachgebrauch hingegen ist das Wort negativ besetzt und meint die Anwendung von psychischem oder physischem Zwang, bei dem Menschen vorsätzlich Schaden zugefügt oder Sachen zerstört werden. Prinzipiell reagieren die meisten Menschen ablehnend, wenn sie aggressives oder gewaltvolles Verhalten bei anderen Menschen beobachten. Nur wenn sie den Aggressor bewundern oder ihn als Teil ihrer sozialen Gruppe betrachten, tolerieren sie Gewalthandlungen bis zu einem gewissen Grad. Dann geben sie zustimmende Kommentare ab oder lachen über die Opfer verbaler und körperlicher Gewalt. Hier, bei den Zuschauern und Mittätern setzt die perverse Gewalt ein, die bei weitem gefährlicher ist als einfache verbale Gewalt, weil sie sich nur schwer einem Verantwortlichen zuordnen lässt. In diesem Zusammenhang sollte deutlich sein, dass nicht nur die Gewalttat selbst, sondern auch damit in Zusammenhang stehende Handlungsunterlassungen als Gewalt zu bezeichnen sind. Im Alltag sind wir normalerweise viel häufiger verbaler und psychischer Gewalt ausgesetzt als körperlichen Übergriffen. Sie beginnt in der sozialen Gruppe, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis meistens mit einfachem Mangel an Respekt, mit Lügen und subtiler Manipulation, deren Ursprung zunächst kaum durchschaubar ist. Das Opfer wird zunehmend in demütigende Spiele verwickelt, die jedes für sich betrachtet eher harmlos erscheinen. Ihre zerstörerische Wirkung beruht auf Heimlichkeit, Wiederholung und konsequenter Beeinflussung des gemeinsamen sozialen Umfeldes. Die Drohungen sind immer indirekt, verschleiert, und sollen das Opfer nachhaltig einschüchtern und manipulieren. Das Umfeld wird vom perversen Täter geschickt dazu gebracht die seelische Gewalt herunterzuspielen und vor ihrer Existenz die Augen zu verschließen. Im Gehirn wirken soziale Ausgrenzung und Ignoranz wie körperliche Schläge. Das wissen wir aus der neurowissenschaftlichen Forschung. Denn wir sind innerhalb unserer sozialen Gruppe neurobiologisch auf Zuwendung und Wertschätzung angewiesen, um ein gesundes, motiviertes Leben führen zu können. (Joachim Bauer 2007.) Opfer perverser Gewalt tappen dem Angreifer oft naiv in die Falle, weil sie nicht glauben können, dass jemand, den sie gut kennen, so hinterhältig und berechnend handeln kann. Denn der pervers gespaltenen Persönlichkeit fehlt jedes Mitgefühl, wenn sie ein Opfer gefunden hat, welches sich durch seine naiven Haltung oder durch seine geschwächte Position in der sozialen Gruppe für seine Machtspiele eignet. In diesem Moment fehlt dem Täter auch jede Einsicht in die eigene Mitverantwortung. Opfer perverser Gewalt werden dann oft seelisch oder sogar körperlich krank, denn Isolation und Einsamkeit schädigen auf lange Sicht das Immunsystem. (Langzeitstudie H. Lunstad und T. Smith Brigham Young University, Utah 2010.) Sie suchen in vielen Fällen die Schuld bei sich selbst, weil sie die geschickte Manipulationen des Perversen nicht durchschauen, den systematischen Verleumdungen wehrlos ausgeliefert sind und den wiederholten Vorwürfen schließlich glauben. Als pervers-narzisstisch bezeichnen wir hier die Verhaltensweise von Menschen, die sehr einfühlsam erscheinen, im näheren Kontakt jedoch den Wunsch empfinden ihr Gegenüber zu beherrschen und subtil zu schwächen. Pervers strukturierte Menschen erzählen nichts oder sehr wenig über sich selbst und benutzen im Kontakt fast ausschließlich allgemeine Phrasen. Denn die bevorzugte Waffe des perversen Mitmenschen ist die Verweigerung der unmittelbaren Kommunikation. Der Konflikt wird nicht benannt, aber er findet ständig statt, meistens durch immer neue Formen von herabsetzendem Verhalten. Sich dem Dialog zu entziehen ist eine geschickte Art, den Konflikt zu verschärfen und ihn dabei dem anderen in die Schuhe zu schieben. Werden dem Opfer Vorwürfe gemacht, sind sie verschwommen und ungenau, lassen Raum für Deutungen und Missverständnisse. Alle Versuche einer Klärung führen nur zu weiteren unbestimmten Vorwürfen. Niemals übernimmt der Perverse einen eigenen Teil an Verantwortung für das, was nicht klappt. Immer wird er auf Zeit spielen und sich ignorant abwenden, eventuell über Jahre oder Jahrzehnte. Dieses Verhalten gilt in unserer Gesellschaft mittlerweile als normal. Ist Ihnen auch aufgefallen, lieber Leser, dass immer mehr Menschen auf dem Bürgersteig nicht mehr ausweichen, wenn Ihnen jemand entgegen kommt? Wenn Sie die gute alte, achtsame Höflichkeit treibt beiseite zu gehen, weicht das perverse Gegenüber keinen Millimeter aus, sondern drängt Sie noch weiter in den Straßengraben ab. Wenn Sie sich aber auf das Machtspielchen einlassen, weicht das Gegenüber erst in letzter Sekunde mit einer leichten Drehung der Schulter aus und geht erhobenen Hauptes in nur wenigen Zentimeter Abstand an Ihrem Körper vorbei. Ich habe mir angewöhnt dann absichtlich in der Mitte des Bürgersteiges zu gehen, besonders wenn es sich um eine Gruppe von Menschen handelt, die den gesamten Bürgersteig einnehmen und nicht ausweichen, denn nur in diesem Falle muss die Gegenseite reagieren, um einem Zusammenstoß zu entgehen. Dieses kleine Beispiel zeigt, dass in einer perversen Situation nur das bewusste, vorausschauende Handeln hilft. Denn wenn ich hier meinen Unmut verbal ausdrücken würde, kämen mir sicher nur ungebremste Unverschämtheiten entgegen. Perverse und passiv-aggressive Persönlichkeiten zerschlagen jeden Enthusiasmus in ihrer Umgebung, suchen vor allem zu beweisen, dass die Welt schlecht ist, dass die anderen schlecht sind, dass der Partner schlecht ist. Mit ihrem Pessimismus machen sie den anderen schließlich wirklich depressiv, was sie ihm anschließend vorwerfen. Wenn das Opfer widersteht und versucht, sich aufzulehnen, weicht die Böswilligkeit einer erklärten Feindschaft. Die Phase des Hasses im Reinzustand beginnt, äußerst heftig, mit Tiefschlägen und Beschimpfungen, mit Worten, die demütigen und alles ins Lächerliche ziehen, was dem anderen eigentümlich ist, verleumdend, beleidigend, feindliche Andeutungen machend. Durch Manipulationen eingesponnen in ein unsichtbares Netz subtiler, unfairer Machenschaften, immer neuen Giftspritzen ausgesetzt, verzweifelt das Opfer schließlich bis zur völligen Ohnmacht und Lähmung. Der Perverse rechtfertigt seinen Zwang zur Rache. Es fallen Sätze wie: "Der ist ja doch zu blöd!" "Selbst schuld, dass ich dich so behandeln muss!" Erst nach langem, oft langjährigen Leiden erkennt das Opfer , dass ihm nur der Weg der Trennung bleibt, da der Kampf gegen die perverse Charakterstruktur nicht zu gewinnen ist. Der Perverse, der sich eigentlich nicht gerne aus der Negativbindung lösen möchte, weil er ja von ihr profitiert und für sein Selbstwertgefühl das Opfer wirklich braucht, wird sich dann für den Rest seines Lebens als im Stich gelassenes Opfer in Szene setzen und im Umfeld des Betroffenen heimlich weiterhin Schaden anrichten, wenn er kann. So reiste die Schwester eines Patienten extra hunderte von Kilometer weit zu einem Seminarhaus, um ihm dort seine Tätigkeit als Seminarleiter und Supervisor zu verderben indem sie vor Ort in Abwesenheit des Patienten Schlechtes über ihn erzählte. Dies tat sie nur, weil sie nicht ertragen konnte, das der Bruder Erfolg hatte. Und sie wollte sich auf diese Weise dafür rächen, dass der Patient sie kritisiert und ihre oberfächlich-scheinheilige Art mit Konflikten umzugehen nicht akzeptiert hatte. Hier noch ein weiteres Beispiel: Eine Patientin von mir hatte erst mit 44 Jahren erfahren, dass ihre Geschwister wohl nicht von ihrem Vater, sondern von anderen Männern in der Ehe gezeugt worden waren. Als sie es endlich wagte ihren Vater daraufhin anzusprechen, sagte er ihr, dass er dies auch wisse, dass es aber doch keine Rolle mehr spiele. Als die Patientin ihn mehrfach dringlich daraufhin wies, dass jedes Kind das Recht habe von der Existenz seines leiblichen Vaters zu wissen und dass selbst die Jugendämter dies heute unterstützen würden, versprach er mit den Geschwistern zu reden. Er teilte der Patientin nach einigen Monaten mit, dass er mit ihnen gesprochen habe und das Thema jetzt nicht mehr angesprochen werden müsse. Einige Zeit später sollte ein Familientreffen stattfinden. Die Patientin machte sich Sorgen, weil sie nichts von ihren Geschwistern gehört hatte und schrieb deshalb ihrer viel jüngeren Schwester einen Brief, in dem sie anfragte, wie es ihr denn mit der neuen Information ginge und ob alles in Ordnung sei. Zurück kam eine bitterböser Antwort. Denn der Vater hatte gelogen und nicht mit den Geschwistern gesprochen. Die Patientin reagierte erschrocken und versuchte mit ihrem Vater über diese Tatsache zu sprechen, aber der Vater verweigerte ihr jede ehrliche Kommunikation und beschimpfte sie noch. Sie zog in Erwägung, dass sie selbst eventuell auch kein leibliches Kind ihres Vaters sein könnte. Als sie ihrem Vater damit drohte für sich selbst notfalls einen Gentest einzuklagen, lächelte er nur und sagte ihr, dass sie das gar nicht brauche, denn er habe eine dominant vererbte seltene Blutgruppe, an der sie erkennen könne, dass er ihr Vater sei. Gleichzeitig behauptete er aber plötzlich, dass er nie gesagt habe, dass die anderen Kinder nicht seine leiblichen seien. Die Patientin war verwirrt und erlebte jetzt das ganze Ausmaß der narzisstischen Perversion ihres Vaters. Er schloss sie aus dem Erbe aus, teilte ihr dies auch immer wieder mit, um sie zu verletzen, und unterstellte ihr extreme Böswilligkeiten. Die Patientin, die als Jugendliche viel für den Vater und die Familie eingesetzt hatte als die Mutter wegen eines anderen Mannes die Familie verlassen hatte, war verzweifelt. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum sie in dieser unsäglichen Weise vor der Familie verleugnet wurde. Sie wollte nicht wiederum die Rolle der Schuldigen übernehmen, wie dies vorher schon viele Male passiert war, und glaubte immer noch, dass sich die Angelegenheit doch vernünftig klären ließe. Deshalb sandte sie das ärztliche Schreiben über die Blutgruppen ihrer Eltern in Kopie an ihre Schwestern, obwohl ihr Vater ihr das verboten hatte. Mit der nun folgenden Ignoranz und Böswilligkeit hatte sie allerdings nicht gerechnet: Ihre Geschwister antworteten ihr nicht und brachen jeden weiteren Kontakt ab. Auch ihre schwer psychisch kranke Mutter verweigerte jede Auskunft. Die Patientin sah sich völlig isoliert und wurde von ihrem Vater beschuldigt an allen Familienzerwürfnissen schuld zu sein. Auch im weiteren Familienumfeld stieß sie auf eine breite Schweigefront. Nur die Freunde ihres Vaters und seine 2. Ehefrau, von der er mittlerweile geschieden war, erzählten ihr freimütig, dass die Tatsache der Unterschiebung und die Namen der leiblichen Väter allgemein bekannt gewesen seien. Man habe nur nicht öffentlich darüber reden dürfen, es aber immer gewusst. Der Patientin wurde erst durch die therapeutische Begleitung klar, dass sie in einer Familie mit schweren narzisstisch-perversen Persönlichkeitsstrukturen aufgewachsen war und dass man sie immer wieder zum Sündenbock gemacht hatte, weil sie selbst diese Perversität aufgrund ihrer Opferstruktur nicht entwickelt hatte. Ihr wurde klar, dass ihre Geschwister die Gelegenheit ergriffen und die Schwester aus der Familie gedrängt hatten, weil sie als Kuckuckskinder keine Skrupel hatten ihre Macht auszunutzen. Jetzt verstand die Patientin auch, warum diese tatenlos zugeschaut hatten als sie mit ihrem unehelichen Kind ihre Ausbildung beenden wollte und der Vater ihr die weitere Zahlung von Ausbildungsgeld verweigerte mit den Worten: "Wenn Du dieses Kind bekommst, ich helfe dir nicht!" Die Hilfe der Patientin hatte man immer gerne angenommen, ihr aber wollte keiner auch nur die geringste Freundlichkeit oder Unterstützung zukommen lassen. Über die Gründe hatte der Vater sie schon damals im Unsicheren gelassen, sodass sie nicht wusste, ob der Vater die Unehelichkeit oder die jüdische Herkunft des Kindsvaters ablehnte. Als Jugendliche war es für sie selbstverständlich gewesen bei ihrem Vater für ihrer kleine Schwester um Reit- und Klavierunterricht zu bitten, obwohl man ihr selbst das nicht zugestanden hatte. Und sie hatte sich gefreut, dass die Schwester beides bekam, weil sie ja sehr jung die Mutter vermissen musste. Auch als der Vater ihren Geschwistern teure Ausbildungen bezahlte hatte sie es ihnen gegönnt und nicht gemerkt, dass der Vater sie bewusst vor den anderen damit herabsetzte. Der Vater unternahm mehrmals im Jahr teure Flugreisen, aber einer Bitte ihrem Sohn zu Weihnachten Schlittschuhe zu schenken verweigerte er mit den Worten, dass dies zu teuer sei. Auch als sie während ihres selbst finanzierten Studiums in ihrer Not den Vater einmal um 20 DM im Monat für das letzte Studienjahr bat, wies er sie hartherzig ab, obwohl er zur selben Zeit ihre Schwester mit viel Geld unterstützte. Diese sagte zu ihr: "Eigentlich müsste ich dir jetzt etwas von meinem Geld abgeben, das tue ich aber nicht." Später kam noch heraus, dass ihr Vater in dieser Zeit sehr gut verdient hatte. Subtil und über viele Jahre wirkte hier die perverse Herabsetzung und wurde für die Patientin zur Normalität, der schließlich alle Familienmitglieder folgten. Verletzend war hier nicht nur die offensichtliche Benachteiligung, die der Vater, wenn er auf sie angesprochen wurde, mit dem Standardsatz: "Gönn es doch der armen Schwester!" beantwortete, sondern die Verleugnung und Verdrehung der Realität, die er durch subtile Manipulation im gesamten Bekanntenkreis verbreitete, sodass schließlich alle glauben sollten, dass die Patientin gierig und böswillig sei. Für die Therapeutin war offensichtlich, dass die Patientin in dieser Familie niemals eine Chance auf positive Bindungen haben würde, wie dies in gesunden Familien selbstverständlich ist. Die Patientin musste lernen die perverse Spaltung zu durchschauen, die eigenen Verletzungen ernst zu nehmen und sich gegen diese abzugrenzen anstatt weiterhin erfolglose Versuche einer Klärung zu unternehmen. Und sie musste lernen die in jedem persönlichen und privaten Umfeld auftretenden Perversitäten rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls öffentlich zu machen. Denn perverse "Spiele" (Spieltheorie Robert Axelrod 1984) machen nur Spaß, wenn sie heimlich durchgeführt werden können. Dies ist das Horrorszenario, welches sich überall dort abspielt, wo Menschen ihre Macht anderen Menschen gegenüber ausnutzen: Als SchulleiterInnen, die als BeamtInnen nicht sanktioniert werden können, als Vorgesetzte in Wirtschaftsbetrieben, als SachbearbeiterInnen, die absichtlich Informationen verweigern, in der Paarbeziehung, in der der Ehepartner bewusst in einem Abhängigkeitsverhältnis gehalten wird. Auch in Behörden und an verantwortlichen Stellen bei Versicherungen oder in der Kunst- und Kulturszene finden sich perverse Strukturen, denn pervers-narzisstische Charaktere haben sich in Arbeitszusammenhängen oft früh und langfristig um Machtpositionen bemüht, die sie beständig und zunehmend rücksichtslos ausbauen. Sie lähmen ihr Umfeld bis zur völligen Handlungsunfähigkeit. Dabei wenden sie geschickt jede Kritik gegen den Kritiker, um scheinbar ohne Mühe ein weitere Beförderung auf eine höhere Position für sich in Anspruch zu nehmen. Unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem favorisiert und belohnt solche skrupellosen Verhaltensweisen anstatt ihnen systematisch und nachhaltig Einhalt zu gebieten. Wie kann man pervers-narzisstische Verhalten begrenzen, wie die "Die Masken der Niedertracht" (M.-F. Hirigoyen 2006.) durchschauen? In die Therapie kommen ja in der Regel die Opfer, die selbst nur sehr geringe oder gar keine perversen Verhaltensweisen zeigen und oft nicht wissen, warum sie krank geworden sind. Sie müssen lernen perverses und berechnendes Verhalten bei ihren Mitmenschen frühzeitig zu erkennen und subtil zu begrenzen, denn jede ehrliche Auseinandersetzung wird von pervers strukturierten Mitmenschen ignoriert und verweigert. Deshalb läuft die offene Auseinandersetzung und die gesunde Bereitschaft zur Klärung hier fast immer ins Leere. Auch die frühzeitige Offenlegung im Freundeskreis kann hier viel bewirken, weil sich der perverse Täter nicht gerne verantwortlich zeigt. Wenn Sie in Ihrem Umfeld perverser Gewalt begegnen, treten Sie bitte sofort und nachhaltig für die möglichen Opfer ein und setzen Sie sich aktiv für friedliche und gute Lösungen ein! Sie sollten immer sofort hellhörig werden, wenn ihnen Menschen begegnen, die sich nicht aktiv für gemeinsame Konfliktlösungen einsetzen wollen. Mitverantwortung und aktive Beiträge zum gemeinsamen Guten sind ein Zeichen für psychische Gesundheit. Wenn Sie selbst zu den Tätern gehören, rate ich Ihnen dringend zu einer längeren Therapie, auch wenn Sie das - wie jeder gute Perverse- ablehnen werden. Aber nur so können Sie im Alter, wenn die Grenze zwischen unbewussten und bewussten Persönlichkeitsanteilen durchlässiger wird, ein wahrscheinliches Abgleiten in depressive oder psychotische Erkrankungen verhindern. Denn perverses Verhalten spricht sich langfristig herum. Dadurch wird der pervers strukturierte Mitmensch zunehmend einsam. Da er niemandem geholfen hat, will er sich auch nicht mehr helfen lassen und rächt sich in immer widerwärtigerer Weise an seinem Umfeld. Hinter perversem Verhalten stehen fast immer große Ängste vor Nähe, die für das unbewusste Erleben die innere Stabilität massiv untergraben. Perverses Verhalten ist in vielen Fällen die Folge von starken Demütigungen oder Verlusten in der Kindheit, kann aber auch durch Drogenkonsum oder Alkoholabhängigkeit entwickelt werden. Es tritt häufig bei depressiven Episoden oder im Zusammenhang mit einer Demenz auf. Die perverse Spaltung wird entwickelt, um die eigene Ich-Identität zu bewahren, denn sie besteht zwischen dem Idealbild der ersehnten Eltern und der fehlenden Nähe zu einem Elternteil sowie der daraus resultierende Verletzung und Wut. Solange die perverse Struktur das Gegenüber idealisieren kann ist eine gute Beziehung möglich, aber schon bei der kleinsten Enttäuschung schaltet der Perverse seine Gefühle ab und beginnt sein Gegenüber heimlich und gezielt zu bestrafen. Wenn er damit Erfolg hat und unerkannt oder unerreichbar bleibt, wird er die planmäßige Entwürdigung seines Opfers immer weiter voran treiben. In Extremfällen schreckt er auch vor der Gefahr eines möglichen Suizids seines Opfers oder vor fahrlässiger Tötung nicht zurück. Er genießt die Macht, die ihm der Verlust der Würde und personalen Identität des Opfers gibt, und treibt sein Opfer zwischen Liebesbeteuerungen und heimlich inszenierten Katastrophen in den Wahnsinn. Soziale Isolierung und perverse Ausgrenzung sind deshalb so gefährlich, weil sie sich, wenn sie unerkannt bleiben, in sozialen Gruppen, am Arbeitsplatz und in der Familie epidemisch ausbreiten. Sie treffen das biologische Kernstück der Motivationssysteme im Gehirn der Opfer. Dopamin, körpereigene Opioide und Oyxtocin werden im Gehirn nicht mehr ausgeschüttet, wenn über einen längeren Zeitraum echte Wertschätzung, Kooperation und gemeinsames konstruktives Handeln ausbleiben. In diesem Zustand sind Menschen nicht mehr motiviert. Sie versagen im Beruf und bei der Erziehung ihrer Kinder. Deshalb sollten wir perverses Verhalten in unserem Umfeld unter keinen Umständen dulden, sondern es konsequent benennen und begrenzen. Auch der weit verbreitete Versuch die "Schuld" bei beiden, dem Opfer und dem Täter, zu suchen geht hier an der Sachlage vorbei. Er fördert die Relativierung perverser Gewalt. Echtes Verständnis erfordert mitverantwortliches Handeln im Sinne einer Win-Win-Situation. Nur so fördern wir das Gelingen von sozialen Beziehungen und damit mentale und körperliche Gesundheit. Denn unser ganzes unbewusstes Streben ist, wie Joachim Bauer sagt, letztlich auf das Gelingen von Beziehungen ausgerichtet. Regula Rickert im Mai 2011 Quellen: Marie-France Hirigoyen: Die Masken der Niedertracht. 2006. Joachim Bauer: Prinzip Menschlichkeit. 2007. www.Gewalt-Online.de 2011 |